Am Anfang ihrer musikalischen Sololaufbahn stand eine Erkenntnis: Jene Lieder, die ihr Großvater ihr einst beigebracht hatte und die sie immer liebte, kamen Julia Lacherstorfer (Jg. 1985) zusehends weniger leicht über die Lippen. Weil eine zentrale Perspektive darin komplett fehlte. Die oberösterreichische Komponistin, Geigerin und Sängerin suchte für ihr tolles erstes Soloalbum "Spinnerin [a female narrative]" nach weiblichen Perspektiven in der traditionellen heimischen Volksmusik. Sie musste lang suchen. Die Lieder, die ihr fehlten, hat sie dann gleich selbst komponiert. Hier präsentiert die vielseitige Musikerin das transkulturelle Musikprojekt "Nachbarin [a diverse narrative]". Sie sagt dazu: "Rund ein Viertel meiner österreichischen Nachbar:innen haben eine Migrationsbiografie, von ihnen will ich lernen, anstatt über sie zu hören." Lacherstorfer schnappte sich ein Aufnahmegerät und führte Interviews. Kurze Ausschnitte daraus ziehen sich durch das Programm. Das ist Musik mit soziologischer Brille, die aktives Zuhören erfordert – aber kein trockenes Proseminar. Die eingestreuten Eigenkompositionen, ein wunderbar melancholisches Volkslied aus Bosnien oder die Interpretation eines Songs von Gustav bringen viel Gefühl ins Spiel.